Rezension in Rock Hard

Die beiden Initiatoren von ELEND, Iskandar Hasnawi und Renaud Tschirner, haben sich zum Ziel gesetzt, mit ihrem Projekt an die Spitze des Avantgarde-Metal vorzustoßen. Was dabei herausgekommen ist, hat mit dem herkömmlichen Verständnis schwermetallischer Musik nicht mehr viel zu tun. „Leçons de Ténèbres“ (Lehrstücke der Finsternis) ist ein düsteres Konzeptwerk geworden. Für jeden Titel wurde nach dem Vorbild der klassischen Meisterwerke eine Partitur geschrieben. Statt mit Gitarren, Bass und Schlagzeug wurden die Ideen mit Synthesizern und Violinen umgesetzt, die oft den Eindruck eines großen Orchesters vermitteln. Die Musik bildet mit den Lyrics und dem Gesang eine einzigartige Einheit, nichts wurde dem Zufall überlasen. Zwei Jahre tüftelten und arrangierten die zwei Künstler an den neun Stücken und verbanden in ihren Kompositionen klangliche Elemente und Inspirationen vom Barock über die Neoromantik bis hin zu Dead Can Dance, My Dying Bride oder Bathory zu kleinen Kunstwerken. Lediglich der Gesang läßt die Vorliebe für Death- und Black Metal erahnen. Inhaltliche Basis bilden die Texte zu „Paradise Lost“ von John Milton, in denen die Rebellion und der Sturz des Erzengels Luzifer und seiner geflügelten Anhänger geschildert wird. Die vielfältigen Stimmungen werden durch die verschiedenen Gesangsstile von Iskandar und Renaud unterstrichen, die den Titeln dramatische Tiefe verleihen. Unterstützung erhielten sie von Eve-Gabrielle Siskind, deren engelhafte Sopran-Stimme den sakralen Kontrast setzt. Mit diesem Debüt werden die zwei Hauptakteure ihrem gesteckten Ziel gerecht, auch wenn sie damit bei vielen Metal-Enthusiasten auf Ablehnung stoßen werden.

9/10
Kai Wendel
Rock Hard Nr. 94