Rezension in Shadowshire
Obwohl sie sich mit "Officium Tenebrarum" bereits vor Jahren ein bislang unerreichtes Monument erschaffen haben, lassen sich die Köpfe, die hinter ELEND stecken, nicht beirren und kreieren ein neues Klangkunstwerk nach dem anderen. Mit Sunwar the Dead erscheint die Tage ein Silberling, der den zweiten Part eines fünfteiligen Albumzyklus' darstellt. Grundlage ist immer noch die Idee der französische "musique concrète", die unter anderem mit Pierre Henry einen Gründer und Vertreter fand und die verschiedensten Klänge und Geräusche zu einzigartigen Klangerlebnissen verbindet.
Nach dem ersten Lebenszeichen nach langer Zeit im vergangenen Jahr, Winds Devouring Men, hat sich das Trio für das aktuelle Werk einen Traum erfüllt. Zum ersten Mal in der Geschichte ELENDs haben Iskandar Hasnawi, Sebastien Roland und Renaud Tschirner mit einem 50köpfigen klassischen Ensemble zusammengearbeitet, darunter befindlich ein weiblicher Chor. Das Ergebnis ist ein dichtes und bombastisches Werk, das sich durch sehr viel Tiefgang und Emotion aus der breiten Masse erhebt.
Entstanden ist ein Werk, ein Klangteppich, der Elemente aus (Neo-)Klassik, Elektronik und Industrial mit einer unglaublich düsteren Schwere verwebt. Wie ein dichter Nebel steigen Songs wie "Ardour" dem Himmel empor, reißen auf und entlassen symphonische Melodien und leichte Gesänge aus ihrem Innersten. Mit ungeheurer Dramatik und Dynamik legt sich ein dicker, samtener Vorhang auf die Schultern des Hörers, der sich seltsam behütet wägt und sich faszinierenden Klangperlen hingibt. So bedrohlich und düster die Musik auf der einen Seite wie ein wildes Tier wirkt, so schwebend und filigran zeigt sich das zweite Gesicht mit leichten Streichern und noch leichteren Gesängen. Und doch ist das Werk so kompakt und atmosphärisch, dass es jeden sofort in seinen Bahn zieht. Geschickt weiß das Trio das Gefühl von Behutsamkeit mit ergreifender Tiefe zu kombinieren und erschafft dabei ungeheuer imposante Spannungsbögen. Und dabei sind sie so vielschichtig, dass "The Hemlock Sea" eher an Dark Ambient erinnert, während "A Song Of Ashes" in orientalische Gefilde abdriftet und "La terre n'aime pas le sang" von filigranen Streichern durchzogen ist und mit einer fast theatralischen Dramatik aufwarten kann. Doch egal, aus welcher Art Schublade sich die Klänge stets erheben, sie tun dies derart kraftvoll und forsch, dass man alles um sich herum zu vergessen vermag...
Sunwar the Dead sitzt wie ein Tier am Hörer und scheint ihm den Atem zu entziehen, um ihm doch so viel mehr zurückzugeben. Ganz gewaltig und vielschichtig kommt dieser Silberling daher und gebiert aus seinem Innersten eine wundervolle Symbiose aus emotionaler, ergreifender, dramatischer, trauriger, wuchtiger, feiner und aufbäumender Musik voller Geheimnisse und schrecklicher Offenbarungen, die ganz klar an erster Stelle ihres Genres steht!
(28.08.04 - Autor: alex)